Stadtentwicklung und Sport
Der Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung veröffentlichte 2021 in Kooperation mit dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) eine Studie zu Kooperationen und Netzwerken von Sport- und Stadtentwicklung. Die Studie zeigt, dass Kooperationen von Akteuren der Stadtentwicklung und des Sports beeindruckende A uswirkungen sowohl auf stadträumliche als auch sportimmanente Transformationsprozesse haben können. Um die Empfehlungen der Studie erfolgreich umsetzen zu können, muss man sich mit der Vergangeheit auseinandersetzen.
Nach dem Vorbild einer autogerechten Stadt, einschließlich der restriktiven Trennung der Bereiche Wohnen, Arbeit, Versorgung und Freizeit, veränderte insbesondere im Zeitraum der 1960er bis 1980er Jahre Ravensburg sichtbar und prägt das Bild bis heute. Das Wirtschaftswachstum der 1950er und 1960er Jahre spiegelte sich dabei auch auf der Ebene des Sports. Mit dem 1961 präsentierten ‚Goldenen Plan‘ der Deutschen Olympischen Gesellschaft konnten die Kommunen ein gesamtgesellschaftlich beabsichtigtes Auf- und Ausbauprogramm umsetzen, welches auf der Grundlage einwohnerbezogener Richtwerte (qm pro Einwohner/Einwohnerin (EW)) innerhalb von 30 Jahren zu einer Verdreifachung der (Schul-)Turn- und Sporthallen, zu einer Verfünffachung der kommunalen Hallenbäder, zu einer Verdoppelung der größtenteils kommunalen Sportplätze und einer Zunahme der kommunalen Spielplätze führte. In diesem Zusammenhang konnte zudem ein enormer Ausbau von Sondersportanlagen durch die Kommunen, aber auch von den Sportvereinen selbst umgesetzt werden. Diese außergewöhnliche Chance des beispiellosen Ausbaus der Sportinfrastruktur fußte auf einem übereinstimmenden Sportverständnis und setzte das gemeinsame Ziel des ‚Sport für alle‘ ins Zentrum des Interesses.
Das Sportzentrum Rechenwiesen sollte in den 1960er Jahren die modernste Anlage der Region werden, mit einem Stadion für mehr als 13.000 Zuschauer.
Mit dem neuer Sportstätten ging auch ein rasanter Anstieg der Mitgliederzahlen in Sportvereinen einher. So stieg der Anteil von Bürgerinnen und Bürgern in Sportvereinen bundesweit zwischen 1960 und 1980 von 9,5 auf 27 %. Heute bieten 49 Sportvereine rund 70 verschiedene Sportarten für alle Altersklassen in Ravensburg an. Der gemeinwohlorientierte Sport ist damit die größte Personenvereinigung und der größte Ehrenamtssektor der Stadt.
Viele der über 200.000 Sportstätten sind aber heute deutlich in die Jahre gekommen. Sanierungs- und Modernisierungsbedarfe werden auf ca. 31. Milliarden Euro geschätzt, sodass das zuständige Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat bereits einen neuen „Goldenen Plan“ mit einem Millionen schweren Investitionsprogramm auf den Weg gebracht hat.
Trotz dieser guten Ansätze, erhält der Sport vielfach bis heute noch keine umfassende Berücksichtigung in den Entscheidungsprozessen kommunaler Verwaltungen: Denn der Sport gehört im Gegensatz zum Bereich Schule auch nach wie vor nicht zu den Pflichtaufgaben kommunaler Daseinsvorsorge. Während Kommunen dazu verpflichtet sind, in Schulinfrastruktur zu investieren, sind Ausgaben für Sportvereine und z. B. der Bau neuer Vereinssportstätten Aufgaben, die von der Kommunalpolitik freiwillig übernommen werden. Daher erscheint es vor dem Hintergrund der vielfältigen sozialintegrativen und gesundheitsfördernden Wirkungen von Sport und Bewegung und der gleichzeitigen Flächenkonkurrenzen insbesondere im stark verdichteten Schussental umso bedeutsamer, im Sinne einer zukünftigen, modernen und nachhaltigen Ausrichtung des Sports und der Gesellschaft, die verschiedenen Prozesse der Planung stärker miteinander zu verzahnen, die entsprechenden Akteure zusammen zu bringen, Kooperationen aufzubauen und bestehende Netzwerke zu stärken. Der DOSB, als Dachorganisation des deutschen Sports empfiehlt ein aktives Zugehen von Sportorganisationen auf die lokalen Stadtplanungsbehörden, um die „Politikfähigkeit“ des Sports zu stärken und Kooperationen aufzubauen. Für den Bundesverband Wohnen und Stadtentwicklung (vhw) ist der Sport auch aufgrund seiner vielfältigen Schnittmengen zu anderen gesellschaftlichen Leitthemen und Herausforderungen wie z. B. bürgerschaftliches Engagement und Integration ein zentrales Handlungsfeld für eine zukunftsorientierte Stadtentwicklung. Genau hier setzt die Vision des „CAMPUS Ravensburg“ an.
Eine einmalige Chance
Die Region Ravensburg ächzt seit Jahren unter dem Mangel an bezahlbaren Wohnraum. Gleichzeitig sind, aufgrund fehlender Gewerbeflächen, die Expansionsmöglichkeiten für Gewerbetreibende stark eingeschränkt. Die Initiatoren des “CAMPUS Ravensburg“ wären daher bereit, Ihre weitestgehend für die zukünftige Ausrichtung ungeeigneten und energetisch nicht zukunftsfähigen Flächen der Stadt, für die Erschließung neuer Wohn-und Gewebeflächen, unter bestimmten Bedingungen zur Verfügung zu stellen und außerhalb der Kernstadt, einen neuen Standort für ein gemeinsames Sportzentrum zu finden. Die dadurch mögliche innenstadtnahe Nachverdichtung auf den ehemaligen Sport-und Veranstaltungsflächen reduziert das Pendlerverkehrsaufkommen und den Bedarf an Parkplätzen erheblich und steigert gleichzeitig die Kaufkraft in der Kernstadt Ravensburg. Das über 55.000m² große Oberschwabenhallen Areal wird in der Vision der Initiatoren in ein neues Wohn-Quartier in Kernstadtnähe umgewandelt. Und das Sportzentrum Rechenwiesen, mit seinen über 125.000m² Grundfläche, würde dann den Gewerbeflächenbedarf in Ravensburg lindern.
„Ausreichender und bezahlbarer Wohnraum – und dazu gehört auch Baugrund – ist ein Schlüsselfaktor für die Fachkräftesicherung. Wohnraum ist in unserer Region äußerst knapp und mancherorts fast unerschwinglich geworden. Das ist nicht nur ein Problem für unsere bestehenden Arbeitskräfte, auch so mancher neue Arbeitsvertrag ist schon gescheitert, weil die von auswärts angeworbene Fachkraft keine adäquate Wohnmöglichkeit gefunden hat. Kein anderer Standortfaktor hat sich im Urteil der Firmenchefs in der IHK-Umfrage zur Standortzufriedenheit im Laufe der Zeit so massiv verschlechtert“, so die Einschätzung von IHK-Hauptgeschäftsführer Professor Dr. Peter Jany im Rahmen der Vorstellung des aktuellen Regionalplans 2021.